Auf Sand gebaut?

Inves­ti­tio­nen in Immo­bi­li­en gelten als kri­sen­fest. Das spürt man in unsi­che­ren Zeiten an explo­die­ren­den Preisen. Parallel ver­schär­fen sich die Finan­zie­rungs­vor­schrif­ten. Wohin führt das alles noch?

Die Wolken werden mehr, der Kon­junk­tur­him­mel ver­düs­tert sich. Die Energie- und Lebens­mit­tel­prei­se klettern unge­bremst nach oben, die Inflation erreicht lange für unmöglich gehaltene neue Rekord­wer­te, die schon jetzt Licht­jah­re vom ohnehin auf zwei Prozent hin­auf­ge­setz­ten Ziel der Euro­päi­schen Zen­tral­bank liegen. Der Kauf­kraft­ver­lust lässt den Ruf nach einem Abschied von der lockeren Geld­po­li­tik und spürbaren Zins­er­hö­hun­gen noch lauter werden.

Das alles trifft auch den Immo­bi­li­en­markt. Zwar haben Inves­ti­tio­nen in diesem Segment in den ver­gan­ge­nen Jahren einen immer höheren Stel­len­wert bei der Ver­mö­gens­ver­an­la­gung ein­ge­nom­men und auch die durch Verkauf oder Vermieten erzielten Renditen haben geboomt. Mitt­ler­wei­le bewegt man sich aber in Höhen und auf einem anhaltend anstei­gen­den Kos­ten­pfad, der vie­ler­orts die Alarm­glo­cken schrillen lässt. Zum einen bei Woh­nungs­su­chen­den und Häusl­bau­ern, für die ein Ver­mö­gens­auf­bau zunehmen schwierig und parallel die Kre­dit­ver­ga­be­kri­te­ri­en und Finan­zie­rungs­vor­ga­ben immer restrik­ti­ver werden.

Um die Sta­bi­li­tät des Finanz­plat­zes zu sichern und die Vergabe von nicht leist­ba­ren Krediten hint­an­zu­hal­ten, setzt die Öster­rei­chi­sche Natio­nal­bank (OeNB) nämlich mit Anfang Juli die Emp­feh­lun­gen des Euro­päi­schen Rats für Sys­tem­ri­si­ken (European Systemic Risk Board, ESRB) um. Bisher lediglich emp­foh­le­ne Kriterien bei der Neu­ver­ga­be von Krediten sind ab Mitte 2022 für die Geld­in­sti­tu­te demnach Pflicht. So muss in Öster­reich der Käufer einer Wohn­im­mo­bi­lie, der dafür einen Kredit benötigt, künftig min­des­tens zwanzig Prozent des Kauf­prei­ses in Form von Eigen­ka­pi­tal nach­wei­sen können. Experten warnen dies­be­züg­lich, die anfal­len­den Neben­kos­ten wie Ver­trags­er­rich­tungs­kos­ten, Grund­er­werbs­steu­er, Ein­tra­gungs­ge­bühr und eine Basis­ein­rich­tung für den Wohnraum – in Summe eine erheb­li­che finan­zi­el­le Zusatz­be­las­tung – nicht außer Acht zu lassen. Außerdem darf die Kre­dit­ra­te höchstens 40 Prozent des monat­li­chen Net­to­ein­kom­mens ausmachen und die Laufzeit der Finan­zie­rung 35 Jahre nicht über­stei­gen.

Diese Schritte seien notwendig geworden, um die Verluste der Banken zu ver­rin­gern und die Kre­dit­neh­mer vor Über­schul­dung zu schützen, argu­men­tiert man bei der Natio­nal­bank. Denn aktuell habe mehr als die Hälfte der Kre­dit­neh­mer weniger als 20 Prozent Eigen­fi­nan­zie­rungs­an­teil und fast ein Fünftel wendet für die Tilgung der Rate mehr als 40 Prozent des Net­to­ein­kom­mens auf. Außerdem hätten inter­na­tio­na­le Erfah­run­gen gezeigt, dass Finanz­kri­sen im Zusam­men­hang mit Immo­bi­li­en­kri­sen hohe Wohl­stands­ver­lus­te mit sich bringen. So wird zum einen der Ver­mö­gens­auf­bau massiv erschwert, zum anderen bleibt unsicher, ob ein Verkauf in ein paar Jahren tat­säch­lich noch wert­hal­tig sein bezie­hungs­wei­se Gewinn abwerfen wird.

Noch hält die Preis­dy­na­mik am Immo­bi­li­en­markt zwischen Boden- und Neu­sied­ler­see, vor allem aber in den urbanen Bal­lungs­räu­men und in eta­blier­ten Tou­ris­mus­re­gio­nen jeden­falls an. Auch, weil sich Zinsen und Ertrags­aus­sich­ten bei vielen anderen Spar­for­men ver­flüch­tigt haben, ist der Wert des sprich­wört­li­chen „Beton­golds“ stetig nach oben geklet­tert. Schon mit Beginn der Finanz­kri­se sind laut Natio­nal­bank die Preise stark gestiegen – mit einer deut­li­chen Beschleu­ni­gung in den ver­gan­ge­nen beiden Jahren. So haben sich die Immo­bi­li­en­prei­se seit 2010 laut OeNB um 199 Prozent erhöht. Allein seit Anfang 2007 bis zum dritten Quartal 2021 waren es 248 Prozent. Und im vierten Quartal 2021 legten sie im Jah­res­ab­stand um weitere 12,6 Prozent zu.

Nicht mithalten konnten dabei die Gehälter. So braucht man für den Kauf einer durch­schnitt­li­chen 70 Qua­drat­me­ter-Eigen­tums­woh­nung in Öster­reich den OeNB-Angaben zufolge heute 10,6 Jah­res­brut­to­ge­häl­ter – noch mehr sind euro­pa­weit nur in Tsche­chi­en und der Slowakei nötig. Die Wohn­im­mo­bi­li­en­prei­se liegen über dem Durch­schnitt der Eurozone. Mit Immo­bi­li­en­prei­sen von durch­schnitt­lich 4500 Euro pro Qua­drat­me­ter im Neubau bewegte sich Öster­reich 2020 euro­pa­weit sogar an der Spitze, noch vor Frank­reich, Deutsch­land und Groß­bri­tan­ni­en.

Parallel ist das Angebot an Objekten durch rege Bau­tä­tig­kei­ten aber teilweise aus­ge­franst und unüber­sicht­lich geworden. Befürch­tun­gen, der Boom könnte sich in eine Blase ver­wan­deln, exis­tie­ren vor allem für „Stan­gen­wa­re“ im ver­dich­te­ten Wohnbau. Sobald Immo­bi­li­en jedoch über Garten, Terrassen oder Frei­flä­chen verfügen, sehen Experten weniger Risiko. Auch eine Folge der pan­de­mie­be­ding­ten Ein­schrän­kun­gen, durch die Wohnraum – Stichwort Home­of­fice – plötzlich anders gebraucht, genutzt und geschätzt wurde.

Insgesamt hält der Boom jeden­falls an. Nach dem Rekord­jahr 2019 wurde mit einer Invest­ment­sum­me von 1,4 Mil­li­ar­den Euro im Jahr 2021 das zweit­bes­te Ergebnis am öster­rei­chi­schen Woh­nungs­markt erzielt. Bei der CBRE Group, dem weltweit führenden Unter­neh­men für Gewer­be­im­mo­bi­li­en mit Hauptsitz in den USA, geht man davon aus, dass heuer ähnliche Summen in Wohnen inves­tiert werden wie im Jahr 2021. Erst mit­tel­fris­tig sieht man ein schwaches Abbremsen des Trends.

So hat CBRE den Woh­nungs­markt in Wien, Linz und Graz unter­sucht. Der Analyse zugrunde liegt eine demo­gra­fi­sche Prognose, die in den drei Städten durchaus unter­schied­lich ausfällt. Während in Wien bis 2030 ein Zuwachs von rund 8,6 Prozent auf ca. 2,1 Millionen Einwohner erwartet wird und Graz pro­zen­tu­ell in ähnlicher Grö­ßen­ord­nung wachsen soll, ist in der Region Linz-Wels mit einer Stei­ge­rung von rund 3,8 Prozent zu rechnen. Bei wach­sen­der Zahl an Haus­hal­ten und sinkender durch­schnitt­li­cher Haus­halts­grö­ße bleibt die Nachfrage nach Wohnraum demnach vorerst hoch. Bis 2030 rechnet man mit einem Bedarf von rund 150.000 zusätz­li­chen Wohnungen. Laut den CBRE-Analysten ist das Miet­wachs­tums­po­ten­zi­al aufgrund der starken Neu­bau­tä­tig­keit jedoch gering und maximal infla­ti­ons­ge­trie­ben. In dezen­tra­len Lagen geraten die Mieten bei­spiels­wei­se in Wien bereits unter Druck. Noch aber dominiert auch bei Neubauten eine nervöse Über­hit­zung. Auch, weil der Roh­stoff­markt zu einem immer kurz­le­bi­ge­ren und damit schwerer kal­ku­lier­ba­ren Kos­ten­fak­tor geworden ist. Dazu kommt auf Inves­to­ren­sei­te die gesamte Range von Ungeduld bis Spe­ku­la­ti­on, die für zusätz­li­che Unruhe sorgt.

Wer jetzt ein Haus baut oder reno­vie­ren will, merkt schnell, dass nicht nur die Preise steigen, sondern auch mit beträcht­li­chen War­te­zei­ten zu rechnen ist. Bei Sanie­run­gen gab es bereits im Monats­ver­gleich Jänner 2021/2022 durch­schnitt­li­che Preis­er­hö­hung von fünf bis zehn Prozent je nach Ware. Das hat sich weiter verteuert. Dazu kommen lange War­te­zei­ten. Die Lieferung einer Badewanne kann Wochen dauern, Fliesen sogar Monate. Zusätz­lich halten Gehalts­stei­ge­run­gen aber nicht mit den stei­gen­den Immo­bi­li­en- und Roh­stoff­prei­sen mit. Die Kre­dit­nach­fra­ge wird steigen. Sollten nun Zins­stei­ge­run­gen folgen, könnte das viele Kre­dit­neh­mer kos­ten­sei­tig und damit in weiterer Folge auch Banken unter Druck setzen. In den letzten Jahren war man ja gerade bei der Finan­zie­rung von Immo­bi­li­en eher das Gegenteil gewohnt.

Die Kre­dit­kos­ten waren niedrig, die Rendite konnte bei aus­rei­chend Eigen­ka­pi­tal bei der Ver­mie­tung daher hoch ausfallen. Generell galt eine jährliche Miet­ren­di­te von min­des­tens vier Prozent als erstre­bens­wert. Wenn jetzt die Inflation jedoch Richtung sechs Prozent klettert, rela­ti­viert sich das schnell. Für ein erfolg­rei­ches Invest­ment sollte man den Markt genau sondieren und auch Risiken beachten. Denn der Traum von den eigenen vier Wänden kann sich unter Umständen schnell zum Albtraum ent­wi­ckeln. Auch Zusatz­ein­kom­men oder das Fundament einer Zukunfts­vor­sor­ge können brüchig werden und bröckeln wie ein sanie­rungs­be­dürf­ti­ger Altbau. Beachtet man Lage, Zustand der Bau­sub­stanz und etwaigen Sanie­rungs­be­darf, Umgebung und im Fall einer Ver­mie­tung laufende Eigen­kos­ten, bleibt das Risiko einer Wert­min­de­rung aber minimal, wiewohl das Risiko bei einer Immobilie die hohe Summe ist, die man an eine Inves­ti­ti­on bindet. Bei anderen Inves­ti­ti­ons­for­men – bei­spiels­wei­se in Wert­pa­pie­re oder Aktien – ist das Risiko gestreut. Das geht bei Wohnung oder einem Haus nicht. Die Alter­na­ti­ve? Miete zahlen. Dieses Geld ist aber zu hundert Prozent weg.

Illus­tra­ti­on: James Rizzi

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