JUST / Herr Bucher, 200 Jahre Steiermärkische Sparkasse – was nehmen Sie persönlich mit und was folgt daraus für die Agenda der nächsten Jahre?
Georg Bucher / Erst einmal Respekt für die Vorgänger. Auf Basis unserer 200-jährigen Historie und dem, was wir aus ihr gelernt haben, wollen wir auch in Zukunft Optimismus mit unseren Kunden leben. Wir gehen den neuen dualen Weg: Digitalisierung für Standardprodukte und persönliche Beratung für Schlüsselerlebnisse wie z. B. Hauskauf, Erbschaft, Vorsorge für die Kinder. Mit unseren Kunden im Rahmen von „Financial Health“-Gesprächen vorausschauend zu planen, ist, was wir die nächsten 200 Jahre machen möchten.
JUST / Wenn Sie die Veranlagung von 1825 bis heute auf eine Linie bringen: Was blieb konstant – und wo gab es echte Brüche?
Georg Bucher / Mit den zwei Weltkriegen, der Weltwirtschaftskrise, der Digitalisierung, der Finanzkrise und der Coronakrise gab es ganz massive Brüche. Erst in den Boomjahren konnten wir das Thema „Vorsorge für den dritten Lebensabschnitt“ und damit auch Wertpapierveranlagung kommunizieren. Die jüngsten Krisen haben wiederum eine neue Unsicherheit zur Folge. Man muss das Verständnis bei den Kunden wecken, dass die Bank ein stabiler Partner ist – Kapital, Liquidität und die Ertragsquellen aus unterschiedlichen Bereichen sind die drei Säulen dieser Stabilität.
JUST / Welche kulturellen Fähigkeiten braucht Ihr Haus, um 2030 im Private Banking relevant zu sein – jenseits von Produkten und Prozessen?
Georg Bucher / Es braucht eine Vertrauenskultur zwischen Bank und Kunde und die Fähigkeit, die unterschiedlichen Bedürfnisse der Kunden zu verstehen. Die fachliche, aber besonders auch die soziale Kompetenz unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist daher von großer Bedeutung. Viele unserer Private-Banking-Kunden sind auch kulturaffin. Wir wiederum unterstützen eine Vielzahl bedeutender kultureller Institutionen und Projekte. Zudem wollen wir als Erste Bank und Sparkassen nicht nur wirtschaftlich erfolgreich sein, sondern übernehmen auch eine gesellschaftliche und regionale Verantwortung.
JUST / Wachstum, Risiko, Regulierung: Wie halten Sie dieses Dreieck stabil – operativ im Alltag, nicht nur in Strategiepapiere gegossen?
Georg Bucher / Unser Ziel im Inland ist, jährlich mindestens 4 bis 5 Prozent zu wachsen. In Südosteuropa haben wir doppelt so hohe Wachstumsraten. Neben dem organischen Wachstum haben wir in den letzten Jahren bewiesen, dass wir auch anorganisch wachsen – durch den Kauf von Banken in Südosteuropa und die Integration von Regionalsparkassen in der Steiermark. Wir haben eine gute Balance zwischen Wachstum und Risikomanagement gefunden. In Bezug auf Regulatorik lässt sich sagen, dass europäische Banken heute wesentlich resilienter und die Sicherungssysteme stärker sind als vor 2008. Während es vor der Finanzkrise zu wenig Regulatorik gegeben hat, gibt es heute allerdings deutlich zu viel. Ich hoffe daher, dass bei den Omnibus-Bestrebungen der Europäischen Kommission auch die Finanzwelt nicht ganz vergessen wird, dies auch mit Positivem für unsere Kunden.
JUST / Südosteuropa ist für Sie Wachstumsmotor. Worin liegt die besondere Dynamik – und was heißt das für Österreichs Stimme in Brüssel?
Georg Bucher / Südosteuropa macht mittlerweile 40 Prozent unseres Jahresüberschusses aus. Das ist für uns ein ganz zentraler Markt mit 18,5 Millionen Einwohnern, Wachstum, geringen Arbeitslosenraten und einem sehr stark ausgeprägten Unternehmertum. 75 Prozent der Investitionen in der Region kommen aus der EU. Aus Österreich sind 2.500 Unternehmen dort tätig, darunter 400 steirische Unternehmen. Es ist für Österreich wichtig, in Brüssel stärker dafür einzutreten, dass diese Länder möglichst rasch Mitglieder der Europäischen Union werden, damit die junge, gut ausgebildete Generation in den Ländern bleibt.
JUST / Worauf kommt es Ihnen für die nächsten Jahre am meisten an – wenn Sie einen Wunsch fürs Haus aussprechen?
Georg Bucher / Wir sind vom Optimismus auch in diesem schwierigen Umfeld und in dieser Unsicherheit geprägt. Wir glauben, dass es auch nächstes Jahr wieder ein Wachstum geben wird und sind überzeugt, dass wir mit unserem „Financial Health“-Thema unseren Kunden bedürfnisorientiert maßgeschneiderte Produkte anbieten können.
JUST / Was bedeutet dieser duale Weg konkret für Private-Banking-Kunden in den Schlüsselmomenten, die Sie nennen?
Georg Bucher / In solchen Lebenssituationen geht es um Entscheidungen, die Vermögen und Familie langfristig prägen. Digitalisierung hilft uns, Standardprozesse effizient und fehlerarm abzuwickeln. Aber die Ausgestaltung von Finanzierungen, die Strukturierung von Vermögen, Nachfolgefragen oder Vorsorge für Kinder erfordern persönliche Beratung, Erfahrung und Vertrauen – genau dort setzen wir an.
JUST / Viele Kundinnen und Kunden fragen nach Planbarkeit. Wie übersetzen Sie „Financial Health“ in die Beratung?
Georg Bucher / Für uns heißt das, vorausschauend zu planen – mit klaren Zielen und robusten Strategien. Dazu gehören Budget- und Liquiditätsplanung, die richtige Mischung aus Einlagen, Wertpapierveranlagung und Absicherung sowie das regelmäßige Überprüfen der Allokation. Wichtig ist uns, Chancen und Risiken transparent zu machen und Entscheidungen an den individuellen Lebenszielen auszurichten.




